Wo der Heldbock lebt(e)

Wo der Heldbock lebt(e)

20. Januar 2023 Aus Von waldreporter

Im Fechenheimer Wald, ein lichter Eichenbestand, der zur Stadt Frankfurt am Main gehört, soll sich dieser Käfer wohlgefühlt haben…


Ganz weiß ist der Waldboden im Frühling. Nein, kein Schnee, Buschwindröschen. Die ersten warmen Sonnenstrahlen des Frühjahrs haben das zarte Pflänzchen geweckt. Schon im März kämpft sich das das grüne Kraut durchs braune Laub vom Vorjahr und beginnt zu blühen. Das geht nur, wenn die Sonne auf den Waldboden durchscheint, das heißt zeitig, solange die Bäume noch kein Laub haben. Die zarten weißen Blüten locken die ersten Bienen an. Das Summen der Bienen und Zwitschern der Vögel verdrängt das Hintergrundrauschen der Großstadt.

Der Großstadt? Zu Frankfurt am Main gehört der Fechenheimer Wald („Fechi“*). Dort kann man im Frühjahr bei Spaziergängen genau diesen Klang- und Blütenteppich erleben. Der rund 2,6 Hektar große Fechenheimer Wald bestehe hauptsächlich aus alten Eichen, Hainbuchen aber auch Edelholzbeständen und Douglasien. Eine besondere Attraktion sei die Blüte der Buschwindröschen und Maiglöckchen im Frühjahr, heißt es auf der Waldseite der Stadt Frankfurt am Main. Und weiter: „Im Wald selbst gibt es noch Rehe, Füchse, Dachse, Hasen und Kaninchen. Von dem Nachtigallenweg am Enkheimer Ried aus, lassen sich besonders gut viele, auch seltenere Wasservogelarten beobachten.“

In diesem Wald gibt es vielleicht noch den Heldbock. Das ist einer der größten Käfer Europas, der auch den Namen Großer Eichenbock (wissenschaftlich: Cerambyx cerdo) trägt. Die Naturfreunde jedenfalls berichten von einem kürzlich entdeckten Vorkommen, das es zu untersuchen gelte.

Wie auch immer: „Die Art ist in Deutschland vom Aussterben bedroht und europaweit geschützt“, schreibt das Bundesamt für Naturschutz (BfN), das dem Heldbock ein Artenportrait gewidmet hat. Der Käfer liebt lichte Wälder mit vielen Eichen, vor allem alten Eichen.

Solche Eichenwälder zählen zu den sogenannten Hotspots der Biodiversität. Bis zu 400 Schmetterlinge und 100 weitere Insektenarten tummeln sich auf der Eiche, sie sei daher „die Krone der Artenvielfalt“, ist im Magazin Waldgeschichten zu lesen. Und so einen Hotspot gibt es sogar in der Stadt, wie das Beispiel Fechenheimer Wald zeigt.

In Frankfurt können sie ja froh und dankbar sein, dass sie so ein schönes Waldstück direkt vor der Haustür haben. Denn um Hessens Wälder ist es nicht zum Besten bestellt, wie der jüngste Waldzustandsbericht gezeigt hat. Demnach leiden die Wälder unter Klimastress. Selbst die Eiche leidet. Bei den älteren Eichen habe die mittlere Kronenverlichtung von 28 Prozent auf 26 Prozent leicht abgenommen, so der Bericht. Der Klimaplan Hessen werde maßgebliche Projekte zur Stabilisierung der Wälder beinhalten, kündigt Umweltministerin Priska Hinz an.

Insbesondere Eichenwälder stehen in Deutschland ohnehin unter besonderem Schutz. Auf den Waldseiten des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) heißt es, die heutigen Eichenwälder in Deutschland seien ein Kulturgut mit hoher Bedeutung für die biologische Vielfalt. „Diese Lebensräume sind teilweise nach der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) geschützt und müssen erhalten werden.“

Der Fechenheimer Wald wurde Mitte Januar 2023 geräumt und gerodet, um den Bau einer Autobahntrasse zu ermöglichen.

 

Foto: Frühling im Stadtwald / © Stadt Frankfurt am Main / Stefan Cop

* KOMMENTAR: Fechi, Danni, Hambi, Alti – ein weiteres Stück Wald geht, nicht kampflos, verloren. Gemeint sind der Dannenröder Forst, der in Teilen der Autobahn A49 geopfert wurde, der Hambacher Forst (Braunkohle) und der Altdorfer Wald im Kreis Ravensburg, wo ein Kiesabbau droht.