Großflächiges Aufforsten kann globale Erwärmung bremsen
Simulationen von LMU-Forschern zeigen, dass durch großflächiges Aufforsten Temperaturspitzen sinken könnten.
München, 7. November 2024. Das Pariser Klimaabkommen fordert, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Menschheit CO₂-Emissionen senken und bereits ausgestoßenes CO₂ wieder aus der Atmosphäre entfernen.
Ein Team um die LMU-Forscher Yiannis Moustakis und Julia Pongratz zeigt nun, dass großflächige Aufforstung einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann. Die Simulationen der Forschenden zeigen folgendes: Temperaturspitzen könnten sinken, ebenso die Temperatur zum Ende des Jahrhunderts. Außerdem würde erreicht, dass die Dauer, in der die globale Temperatur das 1,5-Grad-Ziel überschreitet, verkürzt werden könnte. Das berichten die Forschenden im Fachmagazin Nature Communications.
Aufforstung ist derzeit die am häufigsten angewandte Methode, um CO₂ aus der Atmosphäre zu entfernen. „Insgesamt hat die Staatengemeinschaft bereits jetzt mit bis zu 490 Millionen Hektar bis 2060 ehrgeizige Aufforstungsziele angekündigt, und diese Zahl wird wahrscheinlich noch steigen, wenn mehr Staaten ihre Langzeit-Pläne vorlegen. Wir wollten herausfinden, wie stark diese Maßnahmen das Klima beeinflussen können“, sagt Yiannis Moustakis. „Um ihre Effekte im Detail zu untersuchen, müssen hochmoderne Modelle eingesetzt werden, die einen interaktiven Kohlenstoffkreislauf darstellen können, der verschiedene Prozesse und Rückkoppelungseffekte berücksichtigt.“
Modellierung mit mehr als 1200 Szenarien
Die Forschenden nutzten eine bisher unerreichte Zahl von mehr als 1200 Szenarien aus sogenannten Integrated Assessment Models (IAMs). Diese Modelle verknüpfen klimapolitische Maßnahmen mit künftigen Energie-, Wirtschafts-, Landnutzungs- und Klimadatenentwicklungen. Ferner nutzten sie Prioritätenkarten zur Renaturierung und Daten zur Biodiversität, um ein ambitioniertes Aufforstungs-Szenario zu entwickeln. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowohl technische und wirtschaftliche Herausforderungen als auch sozioökonomische Aspekte bei der Aufforstung berücksichtigen. Gleichzeitig beziehen sie auch die Biodiversität und Flächenverfügbarkeit in den Ländern mit ein.
Auf dieser Basis entwickelten die Forschenden ein Szenario, das bis 2060 eine Aufforstungsfläche von 595 Millionen Hektar (Mha) und bis 2100 von 935 Mha vorsieht. „Dies ist definitiv ein anspruchsvolles Szenario, und man könnte natürlich die Durchführbarkeit solch ehrgeiziger Bemühungen in Frage stellen. Es ist jedoch nicht willkürlich ehrgeizig gewählt“, betont Moustakis.
„Wir haben versucht, ein Szenario zu entwickeln, das in der Größenordnung der weltweiten Länderpopulationen liegt. Wir versuchten es bis zum Ende des Jahrhunderts auszudehnen und seine räumlichen und zeitlichen Rahmenbedingungen durch technisch-wirtschaftliche Erwägungen einzuschränken. Die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt versuchten wir so gering wie möglich zu halten.“
Aufforsten kein Allheilmittel
Die Ergebnisse der Simulationen zeigen, dass ambitionierte Aufforstungsmaßnahmen das Klima signifikant beeinflussen könnten. So könnte die globale Spitzentemperatur in der Mitte des Jahrhunderts durch Aufforstung um 0,08°C gesenkt werden, während die Endtemperatur am Ende des Jahrhunderts um 0,2°C niedriger ausfallen würde als ohne Aufforstung. Darüber hinaus könnte die Dauer, in der die globale Temperatur das 1,5-Grad-Ziel überschreitet, um 13 Jahre verkürzt werden. Der Einfluss der Aufforstung auf die globale Temperatur wird bereits ab dem Jahr 2052 deutlich.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Simulationen ist, dass Nebeneffekte der Aufforstung auf das Klima deren positive Auswirkung über die CO2-Aufnahme nicht überwiegen: Aufforstung hat nicht nur Auswirkungen auf die Kohlenstoffspeicherung, sondern sie verändert auch physikalische Eigenschaften der Erdoberfläche, wie die Albedo – also die Reflexionsfähigkeit der Erdoberfläche – und die Verdunstung von Wasser. Dies kann in einigen Regionen zu einer leichten Erwärmung führen. Doch wie die Studie zeigt, überwiegt die kühlende Wirkung der CO₂-Aufnahme, da die durch Aufforstung verursachte lokale Erwärmung nicht stark genug ist, um den Kühlungseffekt aufzuheben.
„Diese Ergebnisse zeigen, dass globale Aufforstung tatsächlich einen wichtigen Beitrag zur Abschwächung des Klimawandels leisten kann, wenn sie im großen Stil angewendet wird“, sagt Moustakis. „Sie ist aber kein Allheilmittel und muss in einem umfassenderen Rahmen betrachtet werden, der sozioökonomische Auswirkungen gleichermaßen berücksichtigt. Einen Wald zu pflanzen, könnte einerseits Arbeitsplätze und Einkommen schaffen und Ökosystemdienstleistungen begünstigen, aber es könnte den Menschen auch ihre Lebensgrundlage entziehen, die Armut verschärfen, Menschen finanziell oder räumlich vertreiben und lokale Nahrungsnetzwerke beeinträchtigen.“
Der hier leicht gekürzte und redigierte Text erschien im Informationsdienst Wissenschaft (idw). Hier das Original.
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Originalpublikation:
Yiannis Moustakis, Tobias Nützel, Hao-WeiWey, Wenkai Bao, Julia Pongratz: Temperature overshoot responses to ambitious forestation in an Earth System Model. Nature Communications 2024.
https://www.nature.com/articles/s41467-024-52508-x