Umweltverbände stellen neues Bundeswaldgesetz vor
Klimakrise und Artensterben berücksichtigen: Die Umweltverbände DNR, DUH, NABU und WWF mit Vorschlag für ein neues Bundeswaldgesetz
Rottenburg, 17.10.2023. Der Deutsche Naturschutzring (DNR), die Deutsche Umwelthilfe (DUH), der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der World Wide Fund for Nature (WWF Deutschland) haben einen Gesetzesvorschlag vorgestellt, der das Bundeswaldgesetz auf die Höhe der Zeit bringen soll.
Das aktuelle Bundeswaldgesetz (BWaldG) aus dem Jahr 1975 kennt keine Klimakrise und kein Artensterben. Es schaffe nicht den notwendigen Rahmen, unsere heimischen Wälder gegen die zunehmenden Extremwetter anzupassen und gegen die steigende Holznachfrage zu wappnen, so die Umweltverbände. Deshalb soll das dringend reformbedürftige Gesetz vollständig novelliert werden.
Das Ökosystem stärken
Die Umweltverbände fordern, dass das neue Gesetz den Erhalt und die Stärkung des Ökosystems Wald ins Zentrum rücken. Nur so können die natürliche Widerstandskraft und Anpassungsfähigkeit unserer Wälder gegen Klimafolgen gestärkt werden. Auch wichtige Funktionen des Waldes, etwa die Versorgung mit sauberem Wasser und reiner Luft, der Schutz vor Erosion und Fluten, sowie seine Funktion als Kohlenstoffspeicher, Naherholungsort und Lebensraum unzähliger Arten werden so gesichert. Die forstliche Waldbewirtschaftung würde dadurch mit dem in der Verfassung festgeschriebenen Erhalt der Lebensgrundlagen befriedet und in Zeiten hoher naturräumlicher Risiken langfristig gesichert.
Insbesondere der schwammige Begriff der „guten fachlichen Praxis“ müsse dafür durch zeitgemäße, konkrete und rechtssicher formulierte Anforderungen für die private und öffentliche Waldbewirtschaftung ersetzt werden. Notwendig sind hierfür unmissverständliche Anforderungen an ein zukunftsfähiges Waldmanagement, klare Definitionen erklärter Ziele und erwünschter „guter Zustände“ des Waldes sowie wirksame Regelungen für den Vollzug des neuen Gesetzes.
Das sagen die Vorsitzenden der Umweltverbände:
Florian Schöne, Geschäftsführer des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR): „Angesichts des dramatischen Zustands unserer Wälder können wir uns ein ‚Weiter so‘ in der Waldbewirtschaftung nicht mehr leisten. Wir brauchen einen neuen und langfristigen Gesellschaftsvertrag mit den Waldbesitzenden, der dem Erhalt des Waldes als unsere Lebensgrundlage dient. Einkommen für Waldbesitzende sollte nicht nur durch forstliche Nutzung, sondern auch durch Honorierung von Schutz und Erhalt des Waldes gesichert werden. Gleichzeitig müssen weitreichende Sanktionen im neuen Bundeswaldgesetz gewährleisten, dass sich schwerwiegende Zerstörungen von Waldökosystemen nicht länger lohnen.“
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH): „Das neue Waldgesetz muss deutsche Wälder fit machen für die Folgen der Klimakrise und die Stärkung der Bindung von Treibhausgasen als zentrales Ziel jeglichen Waldmanagements verankern. Die deutschen Wälder kühlen Landschaften und schützen vor Extremwetterereignissen wie Starkregen oder Hochwasser. Ihre Funktion als natürliche Kohlenstoffsenke ist von enormer Bedeutung zur Erreichung der Klimaschutzziele. Damit Wälder diese Funktionen erfüllen können, müssen sie widerstandsfähiger werden. Das gelingt, wenn ihre Behandlung und Bewirtschaftung stärker als bisher auf den Erhalt der Böden, den Aufbau des Holzvorrats, und die Kühlung durch Wasserrückhalt ausgerichtet werden.“
Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbundes (NABU): „Um den Wald mit allen wichtigen Funktionen zu erhalten, müssen wir seine Selbstregulierungskräfte stärken. Dies kann nur gelingen, wenn wir die Waldbewirtschaftung naturverträglicher und damit zukunftsfähig gestalten. Alle, die einen Wald besitzen, tragen hierbei Verantwortung. Konkret brauchen wir eine Einigung auf gesetzlich verankerte Grundpflichten für alle Waldbesitzenden. Für Wälder in öffentlicher Hand braucht es besonders verantwortungsvolle Standards. In Schutzgebieten muss die Forstwirtschaft sich am Schutzziel orientieren, nicht umgekehrt. Hier bestehen aktuell noch sehr große Probleme. Mit einem neuen und zeitgemäßen Bundeswaldgesetz sind enorme Chancen für Natur und Wirtschaft gleichermaßen verbunden. Diese Chancen müssen wir jetzt gemeinsam nutzen.“
Dr. Susanne Winter, Programmleiterin Wald (WWF): „Der Harz ist ein schockierendes Beispiel: Wo einstmals grüner Wald lockte, sieht es heute aus wie in einem schlechten Science Fiction Film. Doch nur jeder fünfte Baum ist in Deutschland noch frei von Schäden. Dabei verpflichtet uns das Grundgesetz, den Wald und nicht nur seine Flächenausdehnung zu bewahren. Das neue Gesetz muss deutlich festlegen, was Ziele, Grundsätze und vorbildliches Waldmanagement sind. So sollte flächige Nutzung ausgeschlossen und der Zuwachs zu maximal 80 Prozent für Holzeinschlag genutzt werden können. Neue Bildungs- und Beratungsangebote für Waldbesitzende helfen, Boden, Fauna und Flora als wichtige Bestandteile des Ökosystems zu erhalten. Nur so kann der Wald angesichts der hohen Holznachfrage und im Klimawandel überleben.“
Konkret fordern die Umweltverbände
- ein dreistufiges Anforderungsniveau für die Waldbewirtschaftung mit klaren und grundgesetzkonformen forstlichen Grundpflichten für alle Waldbesitzenden, mit gehobenen Pflichten für eine besonders verantwortungsvolle Bewirtschaftung der Wälder in öffentlicher Hand sowie zusätzlichen Anforderungen für eine an den Schutzzielen orientierte Bewirtschaftung von Wäldern in Schutzgebieten, insbesondere auch in Natura-2000-Gebieten.
- Schädliche Praktiken wie die Entwässerung von Wäldern, die flächige Befahrung oder die kahlschlagartige Behandlung aus der forstlichen Förderung zu verbannen und zu beenden.
- Stärkung natürlicher Prozesse wie der Naturverjüngung anstelle kostspieliger und risikoreicher flächiger Eingriffe wie der Aufforstung mit gebietsfremden Baumarten.
- Neuordnung der staatlichen Förderung hin zu einer Finanzierung des Walderhalts im gemeinsamen Interesse der Allgemeinheit und des Waldbesitzes, über effiziente Honorierungssysteme und Anreize, welche zielgerichtet zur Stärkung der ökosystemaren Stabilität und des Klimaschutzes beitragen.
- Aus- und Weiterbildungsangebote sowie kostenlose Beratung für Waldbesitzende im Gegenzug für gestaffelte neue Anforderungen an eine Sachkunde.
- Verbessertes Monitoring, welches sich neben den bewährten Methoden zusätzlich auf flächige Echtzeiterfassung per Fernerkundung, die systematische Erfassung der Waldbiodiversität sowie eine objektive Einschätzung der Wirkung des Wildes auf den Waldzustand und seine Fähigkeit, sich selbst zu erhalten, stützt.
- Schärfere Sanktionen bei absichtlichen oder schwerwiegenden Verstößen gegen geltendes Recht. Die Schädigung von Waldökosystemen darf sich nicht mehr lohnen.
Kritik
Der Hauptverband der Deutschen Holzindustrie (HDH) vertritt dazu eine ganz andere Ansicht. Dr. Denny Ohnesorge, Hauptgeschäftsführer, zu den Vorschlägen:
„Der Vorschlag der Umweltverbände ist sehr enttäuschend und ein Schlag ins Gesicht derer, die sich weltweit für den Erhalt der Wälder einsetzen.
Ein Waldgesetz würde in der vorgeschlagenen Form zu einer massiven Reduktion der regionalen Versorgung der Bevölkerung mit Holz und Holzprodukten führen und den notwendigen Waldumbau gefährden. Damit einhergehend würden die Klimaziele insbesondere in den Sektoren Industrie und Gebäude gefährdet werden, da das fehlende Holz durch erhöhte Importe und durch energieintensive und auf fossilen Rohstoffen beruhenden Materialien ersetzt werden würde.
Die Umweltverbände setzen mit diesem Vorschlag auf altbekannte ideologische, aber durch die Praxis in aller Welt überholte Schutzansätze. Nicht die Käseglocke über den Wald sichert ihn und seine vielfältigen Leistungen als Ökosystem im Klimawandel, sondern nur eine aktive Bewirtschaftung.“
Zusammengefasst: Der Gesetzesvorschlag der Umweltverbände.
Der Text ist eine Pressemitteilung des WWF – hier das Original.
Naturwälder sind klimaresistenter – mehr darüber in Waldfreund.in.
Foto: Uwe Kunze / pixelio.de