Wald ist Freiheit

Wald ist Freiheit

7. September 2023 Aus Von waldreporter

BUCHTIPP – Alexander Grau entwirft in seinem Buch „Vom Wald“ eine Philosophie der Freiheit – Wald jenseits von Naturkitsch, Wellness und Esoterik.


Rottenburg, 7.09.2023. „Wald ist Freiheit“ lautete der erste Satz in einem Buch, in dem die Begriffe Fichte, Buche, Tanne nicht vorkommen. Oder doch? Immerhin trägt das Buch den Titel „Vom Wald“. Geschrieben hat es Alexander Grau, Journalist und Philosoph, der seinem Werk den Untertitel „Eine Philosophie der Freiheit“ gab. Jedenfalls spielen Fichte, Buche und Tanne keine große Rolle.

Das Buch ist selbst ein Wald. Ein Urwald, eine Wortwildnis, durch die sich Leserinnen und Leser kämpfen müssen, um die Lichtung zu finden. Also die Stelle, an der auf Alexander Grau der Sonnenstrahl fiel, der ihn zu seinem Untertitel verleitete. Und zu dem Satz auf Seite 155: „Und der Ort dieser Freiheit ist der Wald“.

Auf Seite 161 (erst) kommen die Sätze, die dann wie Sonnenstrahlen auf den Rezensenten (andere mögen früher erleuchtet gewesen sein) fielen: „Nur der verinnerlichte Wald macht letztendlich frei. Denn den Wald zu verinnerlichen bedeutet, die Unberechenbarkeit, die Unübersichtlichkeit, das Überraschende und ewig Veränderliche des Waldes als Realität menschlicher Existenz zu begreifen und gefeit zu sein vor den Einflüsterungen der großen Sinnstiftungserzählungen“. Womit er die „-ismen“ meint, heute allen voran den Konsumismus. Der Wald stehe dabei metaphorisch für die Fähigkeit, jenes Zwangssystem hinter sich zu lassen, zu dem menschliche Kulturen werden, sobald sie ihre eigene Existenz zu rechtfertigen versuchen.

Damit wäre wohl das Wesentliche erfasst.

Alexander Grau lässt die Lesenden an vielen schönen Gedanken teilhaben, die seine Argumentation stützen, aber auch aphorismengleich frei stehen können.

Wald, schreibt er, sei der Antagonist der Zivilisation. Wald bedeute permanenten Wandel und Vergänglichkeit. „Nichts ist hier von Dauer, nichts hat Bestand. Ackerflächen, die vor zwei Jahren angelegt wurden, sind heute schon zugewachsen. Pfade, die vor kurzem noch passierbar waren, sind heute kaum zu erkennen“ (S. 10).

Pfade?

Pfade, Wege, Straßen, Autobahnen! Doch ebenso. Das lässt auf Heilung hoffen. In Hermann Hesses Erzählung „Die Stadt“ ist es eben die gesamte Stadt, die sich der Wald nach wenigen Jahren wieder zurückgeholt hat.

„Der Wald eignet sich als Symbol der Freiheit gegenüber dem menschlichen Kontrollstreben und Ordnungswahn…“ (S. 169). „Gebirge scheinen ewig. Ozeane unendlich. Der Wald ist beides nicht.“ (S. 170).

Schön auch die Aussage von Alexander Grau, das Umarmen von Bäumen oder Waldbaden seien intellektueller Kitsch der Extraklasse.

Es gibt in diesem Dickicht ein paar Wurzeln, über die der Leser stolpern könnte, hier drei dicke. Bei einem Exkurs in die Geschichte schreibt der Autor, die Reisen von Ludwig Tieck und Wilhelm Heinrich Wackenröder (1793) seien die berühmtesten der Kulturgeschichte. Das ist nun arg germanozentrisch (S. 71). Hin und wieder verklärt er den Wald (S. 121/123), der aber doch vom Menschen harte Arbeit abverlangte, was er später mit den Worten relativiert, der Wald sei kein Freizeitparadies, vor allem werde dort gearbeitet (S. 151). Hingegen ist die Aussage nur „Wandern ohne Gepäck“ sei das Wahre einfach Quatsch.

Schön ist Alexander Graus Hinweis auf die Vieldeutigkeit des Waldes, die den Pluralismus der Lebensentwürfe widerspiegelt. Vielleicht gilt das ebenso für die Waldwirtschaft, um auf Fichte, Buche und Tanne zurückzukommen. Elf Millionen Hektar Wald in Deutschland lassen eine Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten zu, inklusive der Nichtnutzung, des Inruhelassens im Nationalpark.

Mehr Buchtipps bei Waldfreund.in.

ALEXANDER GRAU / Vom Wald – Eine Philosophie der Freiheit, Claudius Verlag München 2023, 181 Seiten

Zur Webseite des Claudius Verlags.
Der Verlag hat Waldfreund.in das Rezensionsexemplar kostenlos zur Verfügung gestellt.