Wald der Zukunft
Wissenschaftlicher Beirat stellt Kernthesen seines Gutachtens vor und gibt im Hinblick auf die Klimakrise Empfehlungen.
Der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik (WBW) des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat die Kernempfehlungen seines Gutachtens zur Anpassung von Wäldern und Waldwirtschaft an den Klimawandel öffentlich online zur Diskussion gestellt. Die Debatte wurde per Livestream übertragen.
Hier die Empfehlungen im Überblick:
1 Einführung zum Thema „Anpassung von Wäldern und Waldwirtschaft
an den Klimawandel“
2 Forschungskapazitäten stärken, besser vernetzen und neu ausrichten
3 Ausbildung und lebenslanges Lernen neu aufstellen
4 Strategien der Klimawandelanpassung von Wäldern kommunizieren
5 Institutionelle Strukturen anpassen
6 Wälder als Orte für Erholung, Sport und Tourismus entwickeln
7 Monitoring optimieren
8 Ökosystemleistungen honorieren
9 Nachhaltige Holzverwendung fördern
10 Boden und Wasser schützen
11 Biodiversität sichern und erhöhen
12 Risikomanagement im Umgang mit Extremereignissen weiterentwickeln
13 Resiliente und anpassungsfähige Wälder erhalten und entwickeln
Die Darstellung wesentlicher Handlungsempfehlungen in kurzen Videoclips ist hier zu finden:
https://www.youtube.com/channel/UCwgr0v-8zj738mIg2N6fEjQ
Die mit dem 150-seitigen Gutachten „Die Anpassung von Wäldern und Waldwirtschaft an den Klimawandel“ im Herbst 2021 vorgelegten Empfehlungen des Beirates sind darauf ausgerichtet, die Leistungen des Ökosystems Wald langfristig für die Gesellschaft zu sichern.
„In den Wäldern sind die Folgen der Klimaänderung unübersehbar. Gleichzeitig ist der Wald für das Erreichen unserer Klimaschutzziele unerlässlich. Wir wollen den Beitrag von Wäldern und Waldbewirtschaftung zum Klimaschutz nicht nur erhalten, sondern ausbauen. Dazu müssen wir uns mit Anpassungsoptionen auseinandersetzen und diese diskutieren. Wir wollen zusätzliche Klimaschutz- und Biodiversitätsleistungen honorieren, um die Waldbesitzenden in die Lage zu versetzen, ihre Wälder klimaresilient weiterzuentwickeln. Das Gutachten des wissenschaftlichen Beirats liefert hierzu wichtige Hinweise“, unterstrich Silvia Bender, Staatssekretärin im BMEL, auf der Online-Veranstaltung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR).
„Es ist entscheidend, jetzt – faktenbasiert und von der Gesellschaft mitgetragen – den richtigen Weg für den Wald der Zukunft einzuschlagen“, sagte der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirates, Professor Jürgen Bauhus.
Das Gutachten gibt in wesentlichen Bereichen der Waldbewirtschaftung und -nutzung Handlungsempfehlungen an das Bundesministerium und andere waldpolitische Entscheidungsträger. Deren Umsetzung solle zu resilienten und anpassungsfähigen Wäldern führen und die Leistungsfähigkeit der Forstbetriebe und beteiligten Institutionen stärken, um die Daueraufgabe der Anpassung an den Klimawandel zu bewerkstelligen, so Bauhus.
So wichtig die Berücksichtigung natürlicher Prozesse bei der Anpassung und der Wiederbewaldung der Schadflächen sei, so sehr bedarf es nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einer aktiven Steuerung, um die verschiedenen Ökosystemleistungen auf gewünschtem Niveau bereitzustellen. Es erscheine dringend geboten, „die Wälder und ihre Bewirtschaftung so anzupassen, dass negative Folgen“ des Klimawandels möglichst „weit abgepuffert werden können“, heißt es in dem Gutachten.
Die Kernthesen des Gutachtens: Neben Mischbeständen mit standorttauglichen, genetisch diversen Baumarten und Risikoreduktion durch Vielfalt in der Landschaft, den Waldbeständen und der Waldstruktur zur Entwicklung anpassungsfähiger Wälder sieht der Beirat einen Schwerpunkt in der Erhöhung der Biodiversität. Mit Verbindungen und Austauschmöglichkeiten zwischen Habitaten und Biotopen innerhalb der Wälder sowie zwischen Wäldern und Waldfragmenten müssen Möglichkeiten für die Ausbreitung von Arten geschaffen und gegebenenfalls ihre Wieder- und Neuansiedelung unterstützt werden.
Zum Schutz des Bodens und zur Verbesserung der Wasserspeicherung solle u. a. Bodenverdichtung bei der Holzernte vermindert und organische Bodensubstanz durch Belassen von Schlagabraum und Totholz angereichert werden.
Der Beirat empfiehlt außerdem die Förderung nachhaltiger Holzverwendung durch Anreizsysteme, etwa einen CO2-Bonus für die Kohlenstoffspeicherung im Holzbau und für recyclinggerechte Holzkonstruktionen. Primäres Ziel sei die langfristige stoffliche Nutzung von Holz vor der finalen thermischen Nutzung. Den Holzbau sehen die Wissenschaftler als derzeit einzige anwendungsreife Technologie, Kohlenstoff in nennenswertem Umfang außerhalb des Ökosystems zu speichern. Den risikoarmen Anbau klimaangepasster Nadelholzbaumarten, neue Verwendungsoptionen für Alternativbaumarten und die stoffliche Nutzung von Laubholz und Kalamitätsholz sieht der Beirat neben der Generierung von Gebraucht- und Altholz zur Rohstoffgewinnung als wichtige Maßnahmen zur Anpassung der Wertschöpfungsketten an ein verändertes Holzangebot.
Statt einer Honorierung individueller Ökosystemleistungen wie beispielsweise des Klimaschutzes empfiehlt der Beirat die Honorierung eines resilienten und anpassungsfähigen Waldzustandes – er ist Grundvoraussetzung für die Bereitstellung aller Ökosystemleistungen – durch regelmäßige Zahlungen an Waldbesitzer. Zur Erfassung dieses Zustandes bedarf es noch der Entwicklung allgemein akzeptierter, wissenschaftlicher Kriterien.
Um die Aussagekraft des Waldmonitorings zu stärken und zu einem transparenten Instrument der Risikoanalyse weiterzuentwickeln, sollen flächenbezogene Aussagen ermöglicht, die Vernetzung möglichst vieler Elemente des forstlichen Monitorings gewährleistet und die Bereitstellung von Informationen z. B. infolge von Waldschäden beschleunigt werden.
Weiterhin empfiehlt der wissenschaftliche Beirat, die Forschungskapazitäten neu auszurichten und besser zu vernetzen. Dazu gehören die Förderung langfristiger Forschungsvorhaben, koordinierte Experimente und Modellentwicklungen über Bundesländer und Einrichtungen hinweg sowie ein besserer Austausch von Daten und deren gemeinsame Analyse. Der rasch voranschreitende Klimawandel erfordere Forschungsansätze, die auf eine schnelle Umsetzung der Ergebnisse in die Praxis ausgelegt sind, so die Gutachter.
Zudem spricht sich der Beirat für Änderungen in der Aus- und Weiterbildung und in den Kommunikationsstrategien sowie für die Beseitigung von Anpassungshemmnissen und -konflikten in diesen Bereichen aus, um den umfassenden Transformationsprozess zu befördern.
Das Gutachten des wissenschaftlichen Beirates Waldpolitik „Die Anpassung von Wäldern und Waldwirtschaft an den Klimawandel“ vom Oktober 2021 ist hier zum Download verfügbar:
https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ministerium/Beiraete/waldpolitik/
gutachten-wbw-anpassung-klimawandel.html;jsessionid=92CE216FEB54578CF9D109522E02D39C.live842
Hintergrund:
Der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik (WBW) berät und unterstützt die Bundesregierung bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder. Der Beirat ist mit Vertretern verschiedener wissenschaftlicher Fachdisziplinen besetzt, die die gesellschaftlichen Anforderungen an den Wald widerspiegeln. Der Beirat prüft die Ziele und Grundsätze der nationalen und internationalen Waldpolitik. Er unterbreitet Vorschläge für die Weiterentwicklung der waldpolitischen Rahmenbedingungen und der Instrumente zur Umsetzung der Waldstrategie 2020 der Bundesregierung. Darüber hinaus bemüht er sich um einen Ausgleich zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Ansprüchen an den Wald und fördert den wissenschaftlichen Diskurs über eine nachhaltige, multifunktionale Bewirtschaftung der Wälder.