Nur „unterstützte Migration“ von Bäumen hilft
Klimaschutzfunktion europäischer Wälder bleibt nur mit Bäumen aus anderen Regionen erhalten – Fachleute nennen es „unterstützte Migration“
Eberswalde/Wien, 5. August 2024. Eine Studie unter Leitung des österreichischen Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) in Nature Climate Change zeigt: Es reicht nicht aus, einfach mehr Bäume zu pflanzen, um den Klimawandel wirksam zu bekämpfen und die Wälder als die Kohlenstoffsenke zu erhalten.
Das internationale Forschungsteam, zu dem auch das Thünen-Institut für Waldökosysteme gehört, hebt die entscheidende Rolle der „unterstützten Migration“ hervor. Dabei handelt es sich um eine Strategie der Waldbewirtschaftung, bei der Baumarten und Samenherkünfte auch aus entfernten Regionen zum Zuge kommen, weil sie am besten an die künftigen Klimabedingungen angepasst sind.
Die Studie ist eine der umfangreichsten ihrer Art, so die Autoren. Sie haben Daten aus 587 forstlichen Herkunftsversuchen in ganz Europa, in denen Bäume aus 2.964 verschiedenen Samenherkünften wachsen, analysiert. Herkunftsversuche sind langfristige Feldversuche, um die Leistung von Bäumen aus verschiedenen geografischen Regionen zu bewerten. Daten aus derartigen Experimenten sollen Informationen über die lokale Anpassung, zu Wachstum und Überleben von Baumpopulationen liefern.
Hintergrund Klimakrise
Im Kern geht es um eine Prognose, wie sich die Aufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre für sieben wichtige Baumarten verändert. Hintergrund ist die Klimakrise. Dazu haben die Forschenden verschiedene Baumarten und Samenherkünfte eingesetzt. In einer komplexen Modellsimulation haben sie die Kohlenstoffaufnahme für verschiedene Aufforstungsstrategien berechnet.
Die Ergebnisse waren nach Angaben der Forschenden eindeutig. Der Klimawandel werde die Eignung verschiedener Baumarten in großen Teilen Europas verändern. In der Folge sollten Forstleute, so die Empfehlung, bisher oft genutzte Nadelbaumarten weniger, die widerstandsfähigeren Laubbaumarten vermehrt einsetzen. Die Studie zeige jedoch deutlich, dass es mit einem einfachen Wechsel der Baumarten nicht getan ist.
Sorgfältige Auswahl des Saatguts
„Unsere Modelle zeigen, dass die Wirkung der europäischen Wälder als Kohlenstoffsenke bis zum Ende des Jahrhunderts erheblich abnehmen könnte, wenn Forstleute bei der Wiederaufforstung nur auf lokales Saatgut aus der Region setzen“, sagt Debojyoti Chakraborty, Erstautor der Studie und Wissenschaftler am BFW. „Dies würde die Rolle der europäischen Wälder bei der Abschwächung des Klimawandels drastisch reduzieren.“
Heute gepflanzte Bäume müssten mit dem Klima in hundert Jahren zurechtkommen. Deshalb liege eine Lösung in der sorgfältigen Auswahl von Saatgutquellen, die an die für den Pflanzort prognostizierten Klimabedingungen angepasst sind. Auch dann, wenn diese Quellen aus geografisch weit entfernten Regionen stammen, wie beispielsweise Tannen aus Kalabrien.
Diese als „unterstützte Migration“ bezeichnete Strategie nutzt die genetische Vielfalt innerhalb der Baumarten. Deren Samen transportieren das über lange Zeiträume an unterschiedliche Klimaregionen angepasste Erbgut. Die Studienautorinnen und -autoren gehen davon aus, dass nur mit ergänzenden Herkünften aus anderen Regionen die Wälder Europas in Zukunft gut wachsen und weiterhin effektiv Kohlenstoff binden können.
Der Text ist eine redigierte Pressemitteilung des Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, verbreitet über den Informationsdienst Wissenschaft (idw).
Autorin ist Nadine Kraft. Hier das Original.
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Foto: Unterschiedliche Auswirkungen von Trockenheit auf junge Buchenpflanzen. / © Thünen-Institut / Tomasz Czajkowski