Nimm‘ uns mit!

Nimm‘ uns mit!

5. September 2022 Aus Von waldreporter

BUCHTIPP – Bastian Kaiser, Forstprofessor an der FH Rottenburg, führt Leserinnen und Leser durchs „grüne Dickicht.“


Der Titel des Buchs von Bastian Kaiser lautet „Bin im Wald!“, der Untertitel „Mit einem Forstexperten durchs grüne Dickicht“. Unter „grünem Dickicht“ darf man sich keineswegs nur dichte Wälder mit Unterholz aus Brombeerensträuchern und Brennnesseln vorstellen, sondern den Wald im Allgemeinen und die zugehörige Forstwissenschaft selbst. Für Nicht-Forst-Experten ist das Thema ein Dickicht aus Fakten, so wie jedes andere Fachgebiet (Astrophysik, Energietechnik, Philisophie, Paläontologie, Journalismus etc.) für Nicht-Fachleute zunächst ein Dickicht aus Fakten ist.

Prof. Dr. Dr. h.c. Bastian Kaiser, Rektor der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg am Neckar, hat nach eigenen Angaben ein persönliches und populärwissenschaftliches Buch geschrieben. Stimmt. Das merkt man zum einen an der Aufmachung. „Persönliches“ ist gekennzeichnet (z. B. » Mein Weg in den Wald), in grüner Farbe und in einem anderen Schrifttyp. Das andere ist Wissenschaft, ohne ein einziges Mal unverständlich zu sein. Wissenschaft sollte meiner Meinung nach immer einigermaßen verständlich sein, auch ohne den etwas abwertenden Begriff „populär“, was nach „populistisch“ klingt.

Man kann sich verstehensmäßig kaum eine bessere Annäherung an den Wald und den dazugehörigen Wissenschaftszweig vorstellen. Wald als Gesamtsystem. Ohne auf einzelne Baum, oder Tierarten abzuheben. Ein Beispiel: „Der Waldboden ist eine Art Endstation für alles Leben im Wald und zugleich der Ausgangspunkt für neues Leben. Manche der fleißigen Bodenbewohner sind groß genug, um sie mit dem bloßen Auge zu sehen, und kommen gelegentlich auch ans Tageslicht. Sie sind mehr als zwei Millimeter groß und werden als Makrofauna bezeichnet. Zu ihnen gehören Asseln, Schnecken, einige Spinnen…“ Es folgt ein Überblick zu allem was im Wald lebt, vom Winzling bis zum Wolf.

Interessant ist die Positionierung des Autors im epischen Kampf zwischen Ökonomie und Ökologie – nämlich haarscharf in der Mitte. Er zeigt, wie sehr wir auf die Wirtschaftsleistungen des Waldes, den unentgeltlichen (Luft, Wasser etc.) und den entgeltlichen (Holz) angewiesen sind. Das heißt: Es ist eben nicht die beste Lösung, den Wald einfach sich selbst zu überlassen. Und nebenbei weist er, der lange im Ausland lebte und forschte, immer wieder auf die globale Perspektive hin: In vielen Ländern des globalen Südens sind die Menschen noch mehr vom Wals abhängig als wir in Deutschland. Unsere Appelle „die“ sollten doch „ihren“ Wald besser schützen und möglichst schonend nutzen, sind daher nicht immer hilfreich.

Bastian zeigt aber auch, dass der Wald ein Lebensraum ist und wir gut daran tun, wenigstens einen Teil stillzulegen. Für die, die das nicht einsehen, hat er den Merksatz „Nicht genutzt ist nicht nutzlos“ geprägt.

Vielleicht ist allerdings die oft etwas übertriebene Liebe der Leute zum unberührten Naturwald, ja zum Urwald, darin begründet, dass wir uns in den vergangenen Jahrzehnten enorm dem Primat der Ökonomie beugen mussten. Alles wurde rücksichtslos durchökonomisiert: die Bahn, Wasserwerke, Energie, Medizin – das Leben an sich.

In „Bin im Wald“ versucht der Autor (durchaus erfolgreich) das alles unter einen Hut zu bringen – Ökologie, Ökonomie und, nicht zu vergessen, Soziales als (gleichschenkliges) Dreieck der Nachhaltigkeit, ergänzt um den Faktor Zeit, was eine zusätzliche Dimension eröffnet. Das (zweidimensionale) Dreieck wird zum (dreidimensionalen) Tetraeder. Bastian: „Der Faktor Zeit und die in einer nachhaltigen Entwicklung angelegte Verantwortung für zukünftige Generationen erfahren aktuell einen Bedeutungszuwachs“. Oder, wie ich es verstehe: Das mit dem Klimaschutz läuft noch lange nicht schnell genug.

Holz kann helfen auf diesem Weg schneller voran zu kommen. Bastian kann helfen das zu verstehen, in dem er auf die vier Gruppen der stofflichen Holzverarbeitung hinweist: Massivholz, Massivholz-Werkstoffe, Werkstoffe aus Sägerestholz (erst was dabei übrigbleibt ist im Idealfall Brennholz) sowie Papier und Zellstoff.

Aus Papier und Zellstoff entstehen unter anderem Zeitungen und Bücher. Deren Inhalt mitsamt der dahinter stehenden schriftstellerischen und journalistischen Leistung wird oft nur noch als „Content“ bezeichnet. Der Begriff enthält die Überzeugung, das Medium (elektronisch, wie diese Webseite, zum Hören oder gedruckt) spiele gar keine Rolle.

Das stimmt nicht. Noch immer ist es so, dass vom Wissen, das man aus Büchern zu sich nimmt, mehr hängen bleibt als bei Wissensaufnahme mithilfe elektronischer Medien. Grund genug, wieder mal ein gutes Sachbuch zu lesen.

Wie wäre es mit:

Bastian Kaiser, „Bin im Wald – Mit einem Forstexperten durchs grüne Dickicht“, Hirzel Verlag GmbH, Stuttgart, 2022, 22 Euro

 

Hier geht es zur Webseite des Verlages.

Der Verlag hat uns ein Rezensionsexemplar kostenlos zur Verfügung gestellt.