Kompensation – heiße Luft
Ausgleichszahlungen (Kompensation) zum Beispiel für Flüge sind oft nicht mehr als heiße Luft – sie tragen kaum zum Waldschutz bei – so eine Studie.
Projekte, die die Abholzung von Wäldern reduzieren sollen (oder Aufforsten, Anm. wf), verkaufen oft Emissionsgutschriften – zum Beispiel an Verbraucher, die Flugtickets erwerben. Über 90 Prozent dieser Projektgutschriften gleichen jedoch die Treibhausgasemissionen nicht wirklich aus. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Vrije Universiteit Amsterdam (Niederlande), der Universität Bonn, der University of Cambridge (Vereinigtes Königreich) und des European Forest Institutes in Barcelona (Spanien). Für die Studie haben die Beteiligten beispielhaft 26 Projekte in sechs Ländern untersucht. Die Ergebnisse sind nun im renommierten Journal Science erschienen.
Nach Angaben der Studienautorinnen und -autoren gebe es weltweit ein wachsendes Interesse an Kompensationsmechanismen für den Klimaschutz. Emissionsgutschriften erreichten im Jahr 2022 einen Marktwert von insgesamt zwei Milliarden Dollar. Darüber hinaus werde die Übertragung von Emissionsgutschriften als handelbare finanzielle Einheiten, die Treibhausgasemissionen kompensieren, im Pariser Klima-Abkommen von 2015 gefördert.
Das internationale Forschungsteam untersuchte insgesamt 26 Projekte in Peru, Kolumbien, Kongo, Tansania, Sambia und Kambodscha. Die meisten dieser Schutzprojekte haben kaum zum Waldschutz beigetragen. Darüber hinaus waren die Treibhausgas-Reduktionen durch den Waldschutz geringer als angegeben.
Projekte im Globalen Süden
Die Forschenden bewerteten die Wirkung von freiwilligen REDD+-Projekten: Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation (Minderung von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern) in Entwicklungsländern. Dabei handelt es sich um ein freiwilliges Klimaschutzinstrument, das es ermöglicht, Treibhausgasemissionen durch Waldschutz zu kompensieren.
Die Forschenden sammelten Daten über freiwillige REDD+-Projekte und Projektregionen, einschließlich der historischen Entwaldung, um kontrafaktische Szenarien für die Projektgebiete zu erstellen: Szenarien darüber, was ohne das REDD+-Programm geschehen wäre. Anschließend verglichen sie diese Referenzszenarien mit den Berechnungen der Projektentwickler.
Für die meisten dieser Projekte fanden die Forscher keine Belege dafür, dass sie die Entwaldung verringern. Sie schätzen, dass 90 Prozent der Gutschriften aus den REDD+-Projekten die Treibhausgasemissionen nicht tatsächlich ausgleichen. Die Projekte, die die Abholzung reduzieren, überschätzen ihre Auswirkungen. Das führt dazu, dass die Projekte mehr Kohlenstoffgutschriften ausstellen, als sie sollten.
Wir machen uns etwas vor
Den Forschern zufolge bedeutet dies, dass die von Einzelpersonen und Organisationen zur Reduzierung ihrer eigenen Emissionen gekauften Emissionsgutschriften größtenteils „heiße Luft“ sind und in Wirklichkeit nicht ausgleichen. „Wir machen uns selbst etwas vor, wenn wir diese Kompensationen kaufen“, sagt Dr. Thales A. P. West vom Institut für Umweltstudien der Vrije Universiteit Amsterdam. „Einzelpersonen und Organisationen geben Milliarden von Dollar für eine Strategie zur Eindämmung des Klimawandels aus, die nicht funktioniert, anstatt dieses Geld in etwas zu investieren, das tatsächlich etwas bewirken kann, zum Beispiel in saubere Energie.“
An der Studie ist auch Prof. Dr. Jan Börner vom Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik (ILR) sowie vom Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn beteiligt. „Emissionsgutschriften aus dem REDD+-Programm können ein Weg zur Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes sein. Die Ergebnisse der Studie sehe ich als einen dringenden Aufruf dafür zu sorgen, dass die Methoden zur Verifizierung und Evaluierung der emittierten Zertifikate verbessert werden“, sagt Börner. Der Professor für Ökonomie der nachhaltigen Landnutzung & Bioökonomie ist auch Sprecher des Transdisziplinären Forschungsbereichs „Sustainable Futures“ an der Universität Bonn.
Bei dem Text handelt es sich um eine leicht bearbeitete Pressemitteilung (hier das Original) der Universität Bonn.
Die erste gedruckte Ausgabe von Waldfreund.in beschäftigt sich speziell mit #aufforsten.
Foto: Kondensstreifen am Abendhimmel (© Heinz Müller / pixelio.de)
Weitere Informationen:
In die Studie einbezogene freiwillige REDD+-Projektstandorte: – (A) Peru und Kolumbien. (B) Demokratische Republik Kongo (DRC), Tansania und Sambia. (C) Kambodscha. Die Untersuchungsgebiete sind rot gekennzeichnet. Violette Flächen sind die von der Analyse ausgeschlossenen Gebiete. © Abbildung: Nachgedruckt mit Genehmigung von Thales A.P. West et al., SCIENCE 381:873 (2023)
Förderung :
Neben der Vrije Universiteit Amsterdam (Niederlande) und der Universität Bonn sind an der Studie die University of Cambridge (Vereinigtes Königreich), das European Forest Institute in Barcelona (Spanien), das Center for International Forestry Research in Lima (Peru), die North Carolina State University in Raleigh (USA) und die University of New South Wales in Sydney (Australien) beteiligt. Die Forschung wurde von der Internationalen Klima- und Waldinitiative Norwegens (NICFI), dem Meridian Institute, der Global Comparative Study on REDD+ des Center for International Forestry Research und dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
Publikation :
Thales A. P. West, Sven Wunder, Erin O. Sills, Jan Börner, Sami W. Rifai, Alexandra N. Neidermeier, Gabriel Frey, Andreas Kontoleon: Action needed to make carbon offsets from forest conservation work for climate change mitigation, Science, DOI: 10.1126/science.ade3535; https://www.science.org/doi/10.1126/science.ade3535