Insektensterben auch im Wald

Insektensterben auch im Wald

11. April 2023 Aus Von waldreporter

Studie der TU Darmstadt zeigt dramatischen Artenrückgang – Forschende überrascht – bessere Lage in Naturwäldern

Die Zahl der Insekten nimmt seit Jahren ab. Für landwirtschaftlich genutzte Gebiete ist dies bereits gut dokumentiert. In Wäldern standen bislang vor allem Insekten unter Beobachtung, die als Schädlinge gelten. Nun haben Forschende unter Leitung der TU Darmstadt die Entwicklung vieler Insektenarten in deutschen Wäldern untersucht. Anders als vermutet, zeigte sich auch hier: Die Mehrzahl der untersuchten Arten nimmt ab. Die Ergebnisse erschienen in der Fachzeitschrift „Communications Biology“.

Die Studie zeigt, wie sich die Populationen von 1805 Insektenarten von 2008 bis 2017 in deutschen Wäldern entwickelt haben. Zur Überraschung der Forschenden ist die Individuenzahl bei der Mehrzahl der ausgewerteten Arten über die Zeit zurückgegangen.

Dies verwundert vor allem im Vergleich zu landwirtschaftlich geprägten Flächen, bei denen sich die Art der Landnutzung über die Zeit verändert und durch Faktoren wie wirksamere Pestizide, den Wegfall von Randstrukturen oder den vermehrten Anbau von Energiemais intensiviert hat. Störungen dieser Art spielen im Wald keine Rolle. Dennoch lässt sich ein deutlicher Artenrückgang nachweisen. Dabei waren größere und häufigere Arten besonders stark rückläufig. Während bei pflanzenfressenden Insekten etwas mehr Arten zu- als abnahmen, gingen bei allen anderen Ernährungstypen wie Räubern oder Totholz-Zersetzern deutlich mehr Arten zurück.

Bessere Lage in geschützten Wäldern

Die Studie fand in drei Regionen statt: im Nationalpark Hainich, im UNESCO-Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin und im UNESCO-Biosphärenreservat Schwäbische Alb. Der Rückgang war stärker in Wäldern mit einem hohen Anteil an Nadelbäumen wie etwa Fichten und Kiefern, die in den Untersuchungsgebieten natürlicherweise nur selten vorkommen, sondern angepflanzt sind. In heimischen Buchenwäldern waren die Verluste dagegen geringer. Weiterhin waren in geschützten Wäldern ohne forstliche Nutzung die Rückgänge weniger stark als in intensiv bewirtschafteten Wäldern.

Mit dieser bisher umfangreichsten Studie zum Insektensterben in mitteleuropäischen Wäldern wollen die Autorinnen und Autoren zeigen, dass Insekten nicht nur – wie schon zuvor nachgewiesen – in der Agrarlandschaft rückläufig sind, sondern auch im Wald, welcher in Deutschland fast ein Drittel der Landfläche bedeckt.

Auswirkungen auf alle Organismen

„Über 60 Prozent der untersuchten Insektenarten waren rückläufig“, sagt Dr. Michael Staab von der Arbeitsgruppe Ökologische Netzwerke des Fachbereichs Biologie der TU Darmstadt und Hauptautor der Studie. „Dies wird sehr wahrscheinlich Auswirkungen auf alle Organismen in unseren Wäldern haben, da sich Nahrungsnetze zu verschieben drohen.“ In Anbetracht des Klimawandels ist es in Zukunft notwendig zu untersuchen, wie sich die zunehmende Trockenheit und die damit einhergehende Veränderung der heimischen Wälder auf die Entwicklung von Insektenpopulationen auswirkt.

Professor Nico Blüthgen, Leiter der Arbeitsgruppe Ökologische Netzwerke, ergänzt: „Unsere Wälder sind durch die Klimakrise gerade dabei, sich drastisch zu verändern. Wir versuchen derzeit zu verstehen, wie sich dies auf die Insektenpopulation auswirkt.“ Die Ergebnisse der jetzt im renommierten Fachmagazin „Communications Biology“ veröffentlichten Studie legen nahe, dass eine gezielte Bewirtschaftung, einschließlich der Förderung einer natürlicheren Baumartenzusammensetzung und eines reduzierten Holzeinschlags, dazu beitragen kann, das Insektensterben in unseren Wäldern abzuschwächen.

 

Der Text ist eine leicht bearbeitete Pressemitteilung der TU Darmstadt. Zum Original mit schönen Bildern geht es hier.

Hier der Link zur Forschungsplattform Biodiversitäts-Exploratorien.

Mehr über seltene Arten bei Waldfreund.in.

Foto: Ein Waldbrettspiel (Pararge aegeria) fotografiert von Uschi Dreiucker / pixelio.de.