Hoffnung für den Regenwald

Hoffnung für den Regenwald

3. November 2022 Aus Von waldreporter

KOMMENTAR – Brasilien hat Lula da Silva gewählt – wenn das Abholzen jetzt aufhört, gibt es wieder Hoffnung für das Amazonasgebiet.


Auf einen „katastrophalen Zustand“ hat die Zertifizierungsorganisation FSC (Forest Stewardship Council) vor kurzem hingewiesen1: Die Abholzung im Amazonasgebiet ist gerade so hoch ist wie seit 15 Jahren nicht mehr. Demnach sind von August 2021 bis Juli 2022 knapp 11.000 Quadratkilometer Wald den Motorsägen zum Opfer gefallen. Um das etwas einzuordnen: Der Pfälzerwald gilt mit etwa 1600 Quadratkilometern als größtes zusammenhängendes Waldgebiet Deutschlands.

Eine andere Art der Einordnung hat dazu die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vorgenommen2: Sie brachte die jährliche Abholzung in Beziehung zum jeweils amtierenden Präsidenten, beziehungsweise der Präsidentin. Aus einer Grafik geht hervor, dass der Waldverlust rückblickend auf zwei Jahrzehnte 2004 am größten gewesen ist. Knapp 30.000 Quadratkilometer Wald sind damals vernichtet worden. Es war das zweite Jahr der ersten Amtszeit von Luiz Inácio Lula da Silva.

In den folgenden Jahren blieben immer mehr Bäume stehen. Am Ende der sich anschließenden zweiten Amtszeit von Lula da Silva, 2010, waren es noch etwas über 5000 abgeholzte Quadratkilometer, wie in der FAZ-Grafik zu sehen ist. Unter der Nachfolgerin Dilma Rousseff nahm der Waldverlust noch ein wenig weiter ab, unter Michel Temer, der bis 2018 regierte, stieg die Abholzungsaktivität wieder an. Von 2019 bis 2021, den ersten Jahren unter Jair Bolsonaro, stieg die Entwaldung im brasilianischen Amazonien um 72 Prozent. Umweltschutz galt in seiner Regierungszeit nicht viel, die Strafen für Waldfrevel waren gering, die Rechte der Indigenen zählten nicht und die Beziehung zur Europäischen Union, die auf Waldschutz besteht, verschlechterte sich.

Am vergangenen Sonntag hat die Mehrheit der Brasilianerinnen und Brasilianer Luiz Inácio Lula da Silva für eine dritte Amtszeit gewählt. Nicht, dass er direkt ein Grüner wäre. Grüne Themen hätten im Wahlkampf (so die FAZ ebd.) ohnehin kaum eine Rolle gespielt. Aber er scheint zu wissen, welchen Schatz Brasilien da hat. Und er scheint diesen Schatz, der als Grüne Lunge des Planeten für uns alle wichtig ist, wieder sorgsam hüten zu wollen. Spiegel online schreibt, der neue Präsident wolle das Schlimmste verhindern3. Insofern besteht Hoffnung für den Regenwald.

Allerdings müssen wir hier im globalen Norden zweierlei bedenken.

Erstens: Es ist unser Dreck. Wir hier haben den größten Ausstoß von Treibhausgasen, sowohl aktuell als auch historisch gesehen. In Deutschland beträgt der Ausstoß von CO2 pro Kopf 7,75 Tonnen, in Brasilien 1,95 Tonnen4. Wir hier sind größtenteils für die katastrophale Erderwärmung verantwortlich5.

Zweitens: Wir hier gehen nicht gerade vorbildlich mit unsern Wäldern um. Wald ist hierzulande erst mal Wirtschaftswald. Wald in Deutschland konnte sich 2019 auf einer Fläche von 3240 Quadratkilometern frei entwickeln, so das Bundesamt für Naturschutz (BfN)6. Dies entspräche einem Anteil von 2,8 Prozent an der gesamten Waldfläche Deutschlands, die langfristig für die natürliche Waldentwicklung gesichert sind. Der Wert von 2,8 Prozent liege aber immer noch deutlich unter dem Zielwert der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS). Danach sei ein Anteil von fünf Prozent bezogen auf die gesamte Waldfläche bzw. zehn Prozent der Wälder im Eigentum der öffentlichen Hand erforderlich.

Also freuen wir uns, wenn Brasilien unter Lula da Silva den Amazonaswald besser schützt.
Und schützen wir hier unseren Wald!

 

 

 

Foto: In Amazonien heimischer Gelbbrustara / © Susanne Jutzeler / suju-foto / pexels.com

 

1 Abholzung im Amazonasgebiet: 2022 Höchststand seit 15 Jahren
Pressemitteilung vom 28.09.2022
https://www.fsc-deutschland.de/wp-content/uploads/2022-09-28_PM_FSC-Forest-Week-Amazonas.pdf

2 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. Oktober 2022: Vertrauen verbrannt
(aktualisiert unter FAZnet+:
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/praesidentenwahl-wie-sich-brasilien-und-europa-entzweit-haben-18418288.html)

aktualisiert am 9.11.2022: Der aktuelle Spiegel 45/2022 stellt ebenfalls den Zusammenhang von Entwaldung und brasilianischer Präsidentschaft her.

Außerdem schreibt Christian Stöcker in dieser Woche, die wichtigste Forderung an die Klimakonferenz in Scharm al-Scheich sei, die Wiederaufforstung des Regenwalds zu finanzieren (der Amazonasfonds).
Stöcker, wie immer lesenswert hier.

3 Spiegel online +, 3.11.2022: Ist der Amazonas-Regenwald noch zu retten? https://www.spiegel.de/wissenschaft/amazonas-regenwald-in-brasilien-kann-luiz-inacio-lula-da-silva-das-oekosystem-retten-a-ba4d0676-d63e-4165-903e-5eed8ace1418

4 Energiebedingte CO2-Emissionen pro Kopf weltweit in ausgewählten Ländern 2019
(abgerufen bei Statista am 1.11.2022)
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/167877/umfrage/co-emissionen-nach-laendern-je-einwohner/

5 In diesem recht kurzen Text erscheint zweimal das Wort „katastrophal“. Das ist nicht alarmistisch, oder so. Die Klimakrise hat jetzt schon schlimme Auswirkungen und es kommt noch schlimmer. Das haben der Meteorologe Sven Plöger und der Wissenschaftsjournalist Rolf Schlenker in ihrem Buch „Die Alpen – und wie sie unser Wetter beeinflussen“ beschrieben (eines von vielen guten).
Unaufgeregt, sachlich, glaubhaft.

6 Aktuelle Daten zur natürlichen Waldentwicklung in Deutschland (Bundesamt für Naturschutz, 5.04.2019)
https://www.bfn.de/pressemitteilungen/aktuelle-daten-zur-natuerlichen-waldentwicklung-deutschland