Bäume retten die Welt

Bäume retten die Welt

15. Januar 2024 Aus Von waldreporter

BUCHTIPP – Dieser Ökothriller spielt mal wieder mit dem Weltuntergang – am Ende sind es Bäume, die die Welt retten.

Baisingen, 15. Januar 2024 – Ökothriller sind so etwas wie Mode. Doch längst nicht alle sind gut. Dieser schon: „Die Welt kippt“. Der Autor: Heiko von Tschischwitz.

Ökothriller spielen mit dem Weltuntergang. Fluten, Dürren, Missernten… Die Frage, ob das okay ist, wäre berechtigt. Die Klimakrise nutzen, um die Leute zu unterhalten, um den Thrill zu erzeugen, um Auflage zu gewinnen, scheint auf den ersten Blick nicht okay. Hier aber hat die sich zuspitzende Katastrophe als dramaturgischer Background a) ihren Sinn, b) ist sie ja schon ziemlich real.

In diesem Thriller hat die Menschheit Glück. Es geht gerade noch einmal gut. Ein paar kluge Menschen haben einen Ausweg gefunden. Es ist keine technische Lösung wie CCS1, Geoengineering oder ähnlicher Schnickschnack – sondern eine ganz natürliche, nahe liegende: Die Menschen pflanzen Bäume. Viele, viele Milliarden Bäume.

Spannende Gegensätze

Aus diesen beiden Gegensätzen wächst eine spannende Handlung: Auf der einen Seite steht Shannon O‘Reilly, eine schwerreiche US-amerikanische Investorin, die irre viel investiert, um die Klimakrise zu bekämpfen – aber in Technik. Auf der anderen Seite steht Zhang Li, ein chinesischer „Umweltfunktionär“, der das Vertrauen der höchsten Parteikreise genießt, und mit seiner Methode letztlich wegweisend ist.

Dahinter steckt die reale Motivation der Volksrepublik China, die Klimakrise anzugehen, weil das Land selbst schwer unter ihr leidet. Dahinter steckt außerdem das reale Projekt, das „Great Green Wall“ heißt2. Es handelt sich dabei um ein gigantisches Aufforstungsprogramm – allerdings nicht in erster Linie um die Klimakrise zu bekämpfen, sondern um die Ausbreitung der Wüsten zu stoppen. Was aber irgendwie doch zusammenhängt. Auf alle Fälle hat China tatsächlich Erfahrung damit, ganz große Flächen aufzuforsten3. Mit der Idee, große Flächen aufzuforsten um der Klimakrise Herr zu werden, hat bereits das an der ETH Zürich angesiedelte Crowther Lab auf sich aufmerksam gemacht4.

Das ist der Hintergrund des Romans mit fast 500 Seiten und 50 knackigen Kapiteln. Es kommen dunkle Machenschaften vor und, vielleicht hat der Autor hier ein wenig übertrieben, politische Morde. Dafür kommen ein paar interessante Nebenhandlungen hinzu. Eine ist die Beziehung zwischen Shannon O’Reilly und einer radikalen deutschen Klimaaktivistin namens Tessa Hansen. Es ist auch mal schön zu lesen, dass die Klimaaktivisten bei Heiko von Tschischwitz gut wegkommen. Ebenso die EU als positiv-gestaltende Weltmacht. EU-Bashing ist mittlerweile so was von abgedroschen und uncool.

Chinesische Weisheiten

Eine weitere „Nebenhandlung“ ist der Systemgegensatz zwischen Autoritarismus chinesischer Prägung und liberaler westlicher Demokratie. Der Chinese sagt „Nur wer mit dem Strom schwimmt, wird das Meer erreichen.“ „Shannon musste grinsen, als sie Tessas verdutzten Gesichtsausdruck sah. ,Der Satz stammt von Konfuzius und ist über 2500 Jahre alt. Individualismus wird in China traditionell verachtet. Im Unterschied zum Westen, wo es als höchstes Gut überhaupt gilt, anders zu sein. »Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom« wurde hier deshalb daraus gemacht.‘“ (Seite 361)

Daher die bange Frage: „Und wenn die Bekämpfung des Klimawandels eine zu langfristige Aufgabe für die kurzfristig denkende westliche Welt ist?“ (Seite 364) Wobei das im Westen ja nicht in Stein gemeißelt sein muss. Vielleicht muss überall auf der Welt ein Wandel in den Köpfen stattfinden. Fest steht: Ohne Good Gouvernance geht es nirgends auf der Welt voran.

Noch drei Nachsätze: Zum einen wollen wir nicht die Welt retten, sondern – uns. Die „Welt“ kommt gut ohne den Menschen klar. Zum anderen muss man als Leserin und Leser manchmal einfach so einen Buchtipp bekommen. Oder Glück haben, wenn sich das Buch in einer Grabbelkiste am Eingang des Buchladens liegt. Als „preisreduziertes Mängelexemplar“. Und drittens: Dieses Buch verdient die Auszeichnung „Pageturner“.

 

Heiko von Tschischwitz, „Die Welt kippt“, Ullstein Buchverlage GmbH (List), Berlin, 472 Seite, regulär 12,99 Euro.

 

1 Erklärend und lesenswert: der Beitrag „Mal kurz das CO2 wegbringen“ auf zabota.de

2 Wikipedia-Eintrag „Chinas Grüne Mauer

3 Dazu das Schwerpunktthema „Aufforsten“ in der ersten (#1) gedruckten
Ausgabe von Waldfreund.in – das BOOKAZINE.

4 The Crowther Lab
https://ethz.ch/content/dam/ethz/main/news/eth-news/medienmitteilungen/2019/pdf/190704-crowther-lab/190702_MM_Wo_Aufforstung_m%C3%B6glich_ist.pdf